
Die Entstehung der Sprache (Audio)
Sprache bestimmt unser Wahrnehmen, unser Handeln, und sie begleitet uns das ganze Leben. Mit ihr können wir uns anderen Menschen mitteilen, uns mit ihnen austauschen und unserem grundlegend menschlichen Bedürfnis nach Gemeinsamkeit und Zugehörigkeit Ausdruck verleihen. Sprache beflügelt außerdem unseren Geist, unser Denken und unsere Phantasie. Sie gibt uns Begriffe, um unsere Eindrücke und Wahrnehmungen in Worte zu fassen, sie in gedankliche Bahnen zu lenken, um Ideen zu entwerfen, Wunschträume zu leben, Meinungen zu formulieren und Wissen zu erweitern. Kurz und gut: Sprache ist Teil unserer Identität und sie ist ein Schlüssel zur Welt; zu unserer äußeren ebenso wie zu unserer inneren Welt. Als Werkzeug des Denkens und der Kommunikation hilft sie, uns selbst und andere zu verstehen und das, was unsere Wirklichkeit ausmacht, zu benennen, zu ergründen und zu gestalten.
Die ersten Worte – Für alle Zeit verklungen
Wie aber kam der Mensch zur Sprache? Was waren seine ersten Worte? Fragen, die seit der Antike die Gemüter bewegen. So viel vorweg: Niemals werden wir je wissen, wann und wo unsere Sprache im modernen Sinne entstanden ist. Denn es gibt weder Tonbandaufzeichnungen aus grauer Vorzeit, noch können wir Zeitreisen in die Vergangenheit unternehmen, vorbei an Cäsar, Cleopatra und Sokrates, vorbei an unseren Vorfahren aus der Steinzeit bis hin zur Ära des sogenannten Tier-Mensch-Übergangsfeld, das vielleicht zwei Millionen Jahre, vielleicht auch sieben Millionen Jahre zurück liegt. Hier irgendwo in dieser Phase der Menschwerdung ist die Sprache entstanden. Und mit der Entwicklung des Menschen hat sich seine Sprache entwickelt, ließ sie sich dort nieder, wo immer es den Menschen hinzog, erweiterte und veränderte sie sich, erfand sie sich neu und passte sie sich dem Lauf der Geschichte an. Die ersten Worte aber, die der Mensch jemals sprach, sind für alle Zeit verklungen.
Einer Ursprungsprache auf der Spur – Experimente, Theorien und Mythen
Der Wunsch, Sprache auf ihre Wurzeln zurückzuführen, hat die Menschheit stets bewogen, Nachforschungen anzustellen. Kaiser Friedrich II. (1194 bis 1250) etwa ordnete an, Neugeborene nicht anzureden und nur mit dem Lebensnotwendigsten zu versorgen. Herausfinden wollte er, in welcher Sprache sie denn sprechen würden, das sei dann wohl die Ursprungssprache. Ohne sprachliche, vor allem aber emotionale Zuwendung, fehlten den Babys allerdings sprichwörtlich die Worte, sie starben früh. Der Regent des Heiligen Römischen Reiches war nicht der Einzige, der solch grausame Experimente, teils aus anderen Gründen, mit Kindern durchführte. Seit Hunderten von Jahren wird immer wieder von Mädchen oder Jungen berichtet, die isoliert von jeglichem sozialem Kontakt oder in der Wildnis aufwuchsen. Eine wie auch immer geartete Ursprungssprache konnte man an ihnen freilich nicht ausfindig machen.
Die frühe Sprachwissenschaft konzentrierte sich stattdessen auf Theorien, für die, das ist ein nur allzu häufiges Schicksal der Theorie, der wissenschaftliche Beleg jedoch ausblieb. Zumal von ihren Kritikern mit Spitznamen versehen, muten die Überlegungen einstiger Gelehrter durchaus drollig an. Die «WauWau“-Theorie vertritt zum Beispiel die Auffassung, die Menschen hätten die Geräusche ihrer Umgebung, vor allem Tierlaute, als Lautmalereien nachgeahmt, um die mit ihnen verbundenen Sachverhalte und Objekte zu bezeichnen. Sprache ginge doch eher aus instinktiven Lauten des Schmerzes, der Freude, der Wut oder anderer Gefühlslagen hervor, das behauptet die „PuhPuh“ (oder «Aua“)-Theorie, während die «Hauruck-Theorie“ der festen Überzeugung ist, Sprache sei aus rhythmischen Lautierungen bei der gemeinsamen Arbeit entstanden, die sich zunächst als Gesänge und später dann als Sprache äußerten. Der Beweis: die prosodischen Merkmale aller heutigen Sprachen, also Sprachmelodie und -rhythmus.
Keine dieser Annahmen kann die Wissenschaftsgemeinde wirklich überzeugen. Zwar gehören Lautmalereien wie «Wauwau“ oder «Kikeriki“ zu unserem Sprachrepertoire, doch besitzt jede Sprache davon nur sehr wenige, als dass sich daraus die Entwicklung eines komplexen Wortschatzes und Regelsystems erklären ließe, mit dem sich moderne Sprache, gleich welcher Kultur sie angehört, auszeichnet. Ähnliche Kritik gilt den anderen Theorien, zumal auch sie sich darüber ausschweigen, wie es zu der Entwicklung von etwa 6.000 Sprachen und zigtausend Dialekten kam, die derzeit die Menschheit spricht, und das, obwohl der Hund in China sicher nicht anders bellt als in Brasilien. Die christliche Legende vom Turmbau zu Babel, der zufolge der erzürnte Schöpfer die Sprache der Menschen verwirrte und es darauf hin die Völker in alle Welt versprengte, mag da dem Forschergeist ebenfalls keine befriedigende Antwort sein.
Der Evolution der Sprache nachspüren – Neuere wissenschaftliche Ansätze
Ob sich die Sprache des Menschen von Naturtönen inspirieren ließ, sie ihm aus Freuden- oder Schmerzensschreien oder gar aus der Kombination von Lauten und Gesten erwuchs, das wird keine Wissenschaft je herausbringen, es fehlt ihr dazu, das wurde schon gesagt, schlicht die Methode. Ohnehin möchte man von einer Ursprungssprache heute nichts mehr wissen. Den Voraussetzungen, Gründen und Folgen von Sprechfähigkeit und Sprachentwicklung für die biologische und kulturelle Entwicklung des Menschen nachzuspüren, das treibt nun die Forschung an. Natur- und Geisteswissenschaften arbeiten dazu Hand in Hand: Paläoanthropologie, Anthropologie, Archäologie, Neurologie, Genetik und Anatomie, auch die Linguistik sitzt, heute klüger, mit im Forscherboot.
Sprache, davon gehen neuere Ansätze aus, entwickelte sich nicht zufällig, sondern in einem komplexen Zusammenspiel gegenseitiger Abhängigkeiten. Äußere Einflüsse wie Klimawandel, veränderte Ökosysteme und die für den Menschen daraufhin notwendigen Anpassungsleistungen spielten ebenso eine Rolle, wie seine Entwicklung vom „aufrecht gehenden“ Lebewesen bis hin zum modernen Menschentypen, der Feuer machen konnte, Werkzeug und Waffen herstellte, auf die Jagd ging, ein geselliges Leben in der Gruppe führte und vom afrikanischen Kontinent aus bis in den hintersten Winkel der Welt zog, um sie zu erobern. Geistig und sozial war der Mensch in seinem Werden stets aufs Neue gefordert. Seine biologische Evolution legte die Grundlagen zur Sprechfähigkeit, dazu gehörten die Entwicklung des Rachenraums infolge der Absenkung von Kehlkopf und Gaumensegel, der Ausbau eines fein abgestimmten Stimmtrakts, die neuronale Kontrolle der Sprechmotorik und ein Gehirn, das all das zu regulieren und zu steuern vermochte. Die kulturelle Evolution des Menschen dagegen trieb seine Sprache in ihrer Bedeutungsentwicklung voran, erweiterte und wandelte sie und ließ sie wiederum Spuren im Gehirn oder besser: im Bewusstsein des werdenden Menschen hinterlassen.
Sprache – Unser gemeinsam geschaffenes kulturelles Erbe
Sprache im heutigen Sinn spricht der Mensch seit höchstens 125.000 Jahren, mindestens 40.000 Jahre. Eine Art Vorsprache dürfte es aber schon früher gegeben haben, davon zeugen fossile Funde und Rekonstruktionen steinzeitlichen Alltags. Nötige Absprachen zur Feindesabwehr oder Nahrungssuche und die Positionierung innerhalb der Gruppe, all das mag die frühen Vertreter unserer Ahnengalerie dazu bewogen haben, sich lautlich zu äußern und ihre Lautäußerungen als ein Instrument sozialer und geistiger Organisation zu kultivieren, bis hin zu einer differenzierten Sprache, die sich im Kampf ums Überleben bewährte.
Als, vor etwa 50.000 Jahren, eine nur kleine Gruppe aus der Spezies „Homo sapiens“ sich aufmachte, Afrika zu verlassen, hatte sie eine komplette Sprache mit Wortschatz und Grammatik im Gepäck. Und vermutlich trug ihr Mitbringsel dazu bei, dass sich der moderne Menschentyp in seiner neuen Lebensumgebung gegenüber den in Asien und Europa schon eingesessenen, sprachlich aber weniger gewandten Artgenossen, den Neandertalern, behaupten und damit seine Sprache zu einer Vielzahl an reich gegliederten Sprachen ausbauen konnte. So tritt das heute spracherwerbende Kind überall auf der Welt ein kulturelles Erbe an, das im Lauf der Menschheitsgeschichte erarbeitet worden ist und das jede Generation mit ihrem Angebot zur Interaktion an die nächste weiter gibt. Es ist faszinierend zu beobachten und eine beachtliche Leistung der Kleinen, wie sie sich (jede) Sprache zu eigen machen. Im Gegensatz zu unseren Vorfahren treffen sie aber auf ein bereits bestehendes Sprachsystem, und schon im Mutterleib sind sie für seine Laute empfänglich. Sprache muss sich nicht erst erfinden, sie ist schon da, doch auch in Zukunft wird sie sich mit uns Menschen verändern.
Wie ist die menschliche Sprache entstanden? (Audio)
Vermutlich ist die Sprache relativ spät entstanden. Aber natürlich gibt es kaum archäologische Zeugnisse. Dennoch gibt es ein paar Anhaltspunkte.
Erste Ansätze: Sprachzentren bilden sich vor 2 Millionen Jahren im Gehirn aus
Wir können von der Paläanthropologie her sagen, dass die Sprachfähigkeit oder anatomische Sprechfähigkeit wahrscheinlich sehr viel älter ist als unsere heutige symbolhafte Sprache.
Sehr allgemein formuliert: Vor zwei Millionen Jahren sieht man schon, dass die Sprachzentren «Broca» und «Wernicke» beginnen sich auszubilden. Das sieht man an Innenausgüssen des Gehirns. Allerdings kennen wir die Funktion nicht, sehen nur die Ausstülpungen dieser Hirnregionen.
Wir wissen zudem heute, dass das Kleinhirn sehr viel wichtiger ist bei der Sprache – da ist die motorische Kontrolle usw. Wir wissen aber auch, dass das Kleinhirn vor zwei Millionen Jahren begonnen hat, sich zu vergrößern. Das heißt also, diese anatomische Sprechfähigkeit könnte sehr viel älter sein als das, was wir heute als moderne Sprache ansehen.
Sprache im Sinne von Informationsaustausch haben Menschenaffen auch, das geht ewig weit zurück in den Primatenstammbaum. Aber die Fähigkeit zur symbolhaften und abstrakten Sprache, also Dinge nicht nur additiv aneinander zu setzen – das können übrigens auch Menschenaffen – sondern etwas Neues zu schaffen, kreativ zu sein, ist wahrscheinlich vor relativ kurzer Zeit entstanden. Also vielleicht mit Auftreten des modernen Homo sapiens.
Homo sapiens gibt es schon seit 200.000 Jahren in der heutigen Form, aber Sprache ist sogar noch später anzusiedeln, vielleicht vor 30 oder 40.000 Jahren. Vielleicht fällt das sogar zusammen mit den ersten Kunstwerken, die wir vorher auch nicht kennen – symbolhafte Kunst, symbolhafte Sprache. Und möglicherweise ist das vielleicht eine Genmutation. Das FOXP2-Gen wird dafür verantwortlich gemacht, dass Sprache entstanden ist. Lustigerweise wird das an Mäusen getestet, die ja nun eher schlecht sprechen können – also da muss man mal abwarten, was die Forschung noch erbringt.
Wie kam es zur regionalen Verschiedenheit der Sprachen?
Das kommt natürlich viel später, das kommt durch die Ausbreitung der verschiedenen Menschen über die Erde. Vor 200.000 Jahren steht der Homo sapiens, vor 60.000 Jahren ist schon Australien besiedelt, dann kam der heutige Mensch vor 40.000 Jahren nach Europa – da gab es dann schon die Neandertaler, die möglicherweise auch sprechen konnten. Gefunden wurde ein Zungenbein von Neandertalern, das relativ modern aussieht.
Letztendlich hat Sprache die Funktion der gesellschaftlichen Auseinandersetzung – also muss hier auch das Sozialverhalten beachtet werden. Und Neandertaler hatten ein sehr ausgeprägtes Sozialverhalten – haben Tote begraben, haben Angehörige gepflegt usw.
Die Regionalisierung der Sprache ist erst in den letzten 20.000 Jahren entstanden, durch die Besiedlung der gesamten Erde. Dabei war Nordamerika vor 15.000 Jahren dann das letzte. Oft wird von «ursprünglichen» afrikanischen Sprachen geredet. Da ist nichts ursprünglich, sondern alles hochspezialisiert. Da muss man dann Sprachwissenschaftler fragen, die verfolgen das genauer.
Sprache entwickelt sich natürlich auch viel schneller als biologische Evolution. Biologische Evolution geht ja über die Gene, diese werden von Generation zu Generation weitergegeben – und das dauert dann Tausende von Generationen.
Dann gibt es noch die kulturelle Evolution. Hier wird die Sprache als Transportmedium genutzt und das geht natürlich viel schneller. Das geht von Individuum zu Individuum, das geht von einer Generation zur nächsten und sogar zurück in den Generationen. Das heißt also, allein durch das Medium Sprache ist klar, dass diese Entwicklung auch regional viel schneller geht, als die biologische.
Quelle: https://www.swr.de/wissen/1000-antworten/wie-ist-die-menschliche-sprache-entstanden-100.html
Erste Worte vor 500.000 Jahren
Es ist schwer, die ersten Worte zu finden. Wer nach dem Ursprung der Sprache sucht, kann sich – anders etwa als bei frühen Werkzeugen – nicht auf prähistorische Funde verlassen. Viele Forscher vermuten, Sprache sei eher eine relativ junge Kommunikationsform, die der moderne Mensch vor rund 50.000 bis 100.000 Jahren entwickelt hat, möglicherweise ausgelöst durch eine einzelne genetische Mutation, die zur Sprechfähigkeit geführt hat.
Nun behaupten Forscher des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik im holländischen Nimwegen, unsere Sprachfähigkeit müsse weitaus früher entstanden sein. Demnach konnten schon die gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Neandertaler vor rund 500.000 Jahren sprechen, sagen Dan Dediu und Stephen Levinson (Frontiers in Language Sciences, online).
Darauf würden die meisten von ihnen ausgewerteten Studien hindeuten. Möglicherweise enthalten sogar moderne Sprachen noch Elemente der Ur-Sprachen, meinen die Forscher. Die beiden Linguisten glauben sogar, dass diese die heutige Sprachenvielfalt erst möglich gemacht haben. Damit liefern Dediu und Levinson einen neuen Beitrag zu einer lange und intensiv geführten Debatte über den Ursprung der menschlichen Sprache. Die Forscher stützen sich nach eigenen Angaben auf alle verfügbaren archäologischen, anatomischen und genetischen Indizien, die verraten könnten, wann unsere Vorfahren zu sprechen begannen.
Mittlerweile wisse man, schreiben die Wissenschaftler, dass verschiedene Menschenformen, also Neandertaler, moderner Mensch und etwa die jüngst entdeckten Denisova-Menschen, die noch vor rund 40.000 Jahren in Mittelasien lebten, nicht nur miteinander in Kontakt standen, sondern sich auch paarten. Wobei es regionale Unterschiede gibt.
Die Neandertaler haben mehr genetische Gemeinsamkeiten mit den Menschen außerhalb Afrikas als mit den Afrikanern. Auch das Erbgut von Europäern und Asiaten unterscheidet sich deutlich. Generell belegen die Analysen, dass sich Mensch und Neandertaler genetisch stark ähneln. Daraus folgern die Forscher, dass beide ähnliche geistige und kulturelle Fähigkeiten besaßen.
Auch Fossilienfunde stärken diese Überlegungen. Neandertaler, die vor rund 40.000 Jahren im Westen des heutigen Frankreichs lebten, haben sich von modernen Menschen beim Fertigen komplexer Werkzeuge sowie Körperschmuck beeinflussen lassen. Sie waren somit in der Lage, kulturelle Anregungen aufzunehmen. Warum also sollten sie nicht auch schon gesprochen haben? «Neandertaler, Denisova-Menschen und heute lebende moderne Menschen teilten eine ähnliche Fähigkeit für Sprache und Kultur», schreiben Dediu und Levinson.
Die Sprache der Urmenschen
Die Vorfahren des Homo sapiens nutzten noch eine sehr einfache Sprache. Sie kommunizierten hauptsächlich über Gesten, Grunzlaute und Schreie miteinander.
Primaten verständigen sich auf ähnliche Weise. Sie warnen so ihre Artgenossen vor Gefahren oder teilen dem Gegenüber die eigene Gefühlslage mit. Von Wörtern und komplexen Sätzen war die Sprache unserer Vorfahren noch weit entfernt.
Von Lauten zu Worten
Im Laufe der Evolution veränderte sich die Kopfform des Urmenschen. Der Schädel streckte sich, das Hirn wuchs und auch die Zunge und der Kehlkopf nahmen mehr Raum ein als zuvor, ebenso Rachen und Nasenhöhle. Vermutlich war bereits der Homo erectus zumindest anatomisch dazu in der Lage, artikulierte Laute zu produzieren.
Sprachforscher vermuten, dass sich die Sprachfähigkeit des Menschen vor etwa 1,5 Millionen bis 40.000 Jahren herausbildete. Ein genauerer Zeitraum ließ sich bisher nicht bestimmen. Anhand von Fossilien oder urzeitlichen Werkzeugen können Forscher zwar erklären, wie intelligent unsere Vorfahren waren, nicht aber, ob und wie gut sie sprechen konnten.
Möglicherweise konnte bereits Homo erectus sprechen, der vor etwa 1,5 Millionen Jahren lebte. Er hatte immerhin ein größeres Gehirn als andere Menschen vor ihm.
Vermutlich war aber erst der moderne Mensch (Homo sapiens) dazu fähig, zu sprechen. Er tauchte erst vor etwa 150.000 Jahren auf. Die Form und Stellung seines Kehlkopfes gaben ihm die Möglichkeit, mehr Laute hervorzubringen als jeder andere Urzeitmensch.
Der Mensch konnte nicht vom einen auf den anderen Tag sprechen. Diese Fähigkeit hat er erst nach und nach im Laufe der Zeit erworben. Die Sprache verschaffte ihm einen evolutionären Vorteil: Er musste sich fortan nicht mehr nur mit Gesten verständigen, die Hände konnte er nun für andere Dinge nutzen.
Was den Menschen vom Tier unterscheidet
Sei es über Duftstoffe, Laute oder Gesten – die Lebewesen auf der Erde haben ihre Wege gefunden, miteinander zu kommunizieren. Ihre Kommunikation beschränkt sich jedoch meist auf Überlebenswichtiges: die Fortpflanzung, die Futtersuche oder die Warnung vor Feinden.
2005 fanden die britischen Forscher Karen McComb und Stuart Semple in ihren Untersuchungen heraus, dass Bonobos sich mit 38 verschiedenen Lauten verständigen, meist mit Schreien.
Biologen der Universität St. Andrews entdeckten 2010, dass der Orang-Utan 64 unterschiedliche Gesten verwendet, um mit seinen Artgenossen zu kommunizieren. Zwar können manche Menschenaffenarten Gesten und Schreie kombinieren – doch für einen Roman mit tausend Seiten oder ein romantisches Gedicht reicht das nicht aus.
Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt
Das Lautrepertoire der deutschen Sprache besteht zwar nur aus 40 verschiedenen Lauten. Mit diesen kann der Mensch aber zahlreiche Wörter formen und so nahezu alles ausdrücken, was er möchte.
Nach Schätzungen des Duden gibt es im Deutschen zwischen 300.000 und 500.000 Wörter. Eine genaue Zahl gibt es nicht, weil der Wortschatz sich stetig wandelt. Es kommen neue Wörter hinzu, wie «Flashmob» oder «Shitstorm«, andere verschwinden oder werden nur sehr selten benutzt, wie «Stickhusten» oder «Mohammedanismus».
Etwa 50.000 Wörter kann ein Mensch in Deutschland im Schnitt mühelos verstehen. In seinem aktiven Wortschatz hat er zwischen 12.000 und 16.000 Wörter. Das sind die Vokabeln, deren Bedeutung er kennt und die er sicher anwenden kann.
Mit diesem Handwerkszeug kann ein Mensch ohne Probleme neue Wörter erfinden, die zuvor noch niemand gesagt hat. Er kann neue Theorien entwickeln, fantasievolle Geschichten erzählen sowie anderen seine Wünsche und Gefühle mitteilen.
Um eine Sprache zu erwerben, muss ein Mensch nicht einmal besonders intelligent sein. Sofern er geistig oder körperlich nicht so stark eingeschränkt ist, dass die Sprachentwicklung darunter leidet, wird er die Sprache, mit der er aufwächst, mit Eintritt in die Pubertät beherrschen.
Die Grammatik bringt Ordnung in die Sprache
Wer spricht, reiht nicht bloß einzelne Wörter aneinander. Ein kurzer, aber falscher Satz wie «Schöner heute Tag ein ist» lässt sich noch einigermaßen verstehen. Bei längeren Sätzen ist das schon schwieriger.
Je länger und verschachtelter der Satz, desto mehr ist er auf eine Struktur angewiesen, eine Grammatik. Gäbe es keine Regeln, wäre es kaum möglich, dass zwei Menschen sich gepflegt unterhalten. Das Gegenüber wäre nicht vernünftig zu verstehen.
Die Grammatik einer Sprache gibt vor, wie die Wörter angeordnet werden müssen, damit der Satz am Ende Sinn ergibt. Eine Grammatik kann komplex sein wie im Lateinischen oder simpel wie im Englischen.
Das Lateinische beispielsweise unterscheidet in seinen Wortformen sechs verschiedene Fälle (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Vokativ und Ablativ). Das Englische hat nur für den Genitiv eine eigene Regel – das Genitiv-S.
Die Grammatik bestimmt, in welcher Reihenfolge die Wörter in einem Satz stehen dürfen, und ob etwa die Endungen einzelner Wörter verändert werden müssen, um etwas möglichst eindeutig auszudrücken.
Sprachen, die einen gemeinsamen Ursprung haben, also der gleichen Sprachfamilie angehören, haben eine ähnliche Grammatik. Italienisch, Spanisch und Französisch stammen etwa aus der Familie der romanischen Sprachen. Sie alle entwickelten sich aus dem Lateinischen. Wer Italienisch spricht, dem fällt es meist leichter, auch Spanisch zu verstehen.
Das Deutsche stammt – wie das Niederländische und Englische – aus der germanischen Sprachfamilie. Vor allem das Niederländische können viele Menschen, die Deutsch als Muttersprache sprechen, gut verstehen, auch wenn sie es nie gelernt haben.
Die Sprachen aus zwei verschiedenen Sprachfamilien unterscheiden sich hingegen meist sehr deutlich, sowohl was die Vokabeln anbelangt als auch die Grammatik.
Wenn ein Deutscher einem anderen Deutschen den Weg erklärt, verwendet er Wörter wie links und rechts. Ein Aborigine erklärt einem anderen Aborigine den Weg, indem er Himmelsrichtungen angibt. Ohne Kompass wären diese Informationen für viele von uns kaum von Nutzen. Ein Aborigine dagegen findet sich mit den Angaben bestens zurecht.
Quelle: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/lernen/sprache/index.html